Mit Begeisterung und Leidenschaft spielten sich die österreichischen Fußballerinnen bei der Europameisterschaft in die Herzen der Fans. Die Freude war auch noch im Spiel gegen Spanien spürbar.
Bis zum Spiel gegen Dänemark. Plötzlich Druck, Kampf, „mit der Brechstange“ gewinnen wollen, fast müssen. Die Spielfreude schien Leistungsdruck gewichen zu sein, sie war in keiner Situation mehr zu bemerken.
Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein, natürlich kann es an der körperlichen und damit einhergehend auch an der psychischen Erschöpfung der Spielerinnen liegen, sie mussten doch im Viertelfinale schon über 120 Minuten gehen. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Ursache dafür im mentalen Bereich, speziell im Umgang mit dem Status "Hero" zu suchen ist. Das ist nicht im Trockentraining trainierbar. Hier ist der Unterschied zur Weltklasse, und auch zu den männlichen Fußballkollegen, am größten: Volle Zuschauerränge kennen die Damen aus ihren Spielen bislang nicht. Dass die Familie, der Freundeskreis, die halbe Nachbarschaft 1000 km anreisen, das macht Druck: die kommen alle nicht, um das Team spielen zu sehen, sondern um es gewinnen zu sehen. Frauen sind emotionaler und empathischer als Männer. Wenn so viele Fans kommen, dann will Frau ihnen auch die Freude machen und gewinnen: viele der Fans haben sich frei genommen, haben Zeit und Kosten investiert, um zuzusehen, da sollte doch ein Sieg dafür drin sein. Noch dazu gegen die Däninnen… gegen die geht das doch, das gabs ja gerade erst…
Interviews, Fernsehauftritte, Dokumentationen…. plötzlich sind die Medien allgegenwärtig. Ununterbrochen und überall. Auch das kennen die Spielerinnen bis jetzt in diesem Ausmaß nicht. Hier gibt es auch wenige Möglichkeiten eines mentalen Trockentrainings, bevor dieser Fall eintritt – im Allgemeinen wird ja an aktuellen Problemen gearbeitet, die bereits aufgetreten sind. Natürlich greifen die Übungen zum Stressabbau, natürlich hilft es, im Hier und Jetzt zu sein, äußere Umstände auszublenden. Oft funktioniert das auch und die Spielerinnen können sich auf ihrer Welle zu Höchstleistungen tragen lassen. Doch manchmal werden sie auch vom Druck erschlagen, weil sie auf diese Dimension nicht vorbereitet sind, sich diesen Hype auch gar nicht vorstellen können. Einfach so weiterspielen wie bisher ist in diesem Moment nicht mehr möglich.
Mit Routine und großem Willen hat sich das Team in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen gekämpft. Und hier tritt der nächste Fall eines Erwartungsdrucks auf: nicht nur, dass die Däninnen zu besiegen sind – auch das Elfmeterschießen ist zu gewinnen! Beides haben die Damen bewiesen, beides wird nun von ihnen erwartet – und jetzt kommen noch die mitgereisten Fans ins Spiel, denen das erwartete Ergebnis präsentiert werden soll.
Ergebnisziele und Prozessziele
Schon sind wir beim Ergebnisziel: das Spiel gewinnen. Ergebnisziele sind nur so lange sinnvoll, solange sie eigenverantwortlich erreichbar sind. 50 Liegestütze zu machen wäre ein eigenverantwortlich erreichbares Ergebnisziel. 1:0 zu gewinnen nicht mehr, denn ich habe noch Gegner, Gegnerinnen, die hier ein Wort mitreden werden. Im Gegensatz dazu sind Prozessziele („ich setze den Elfmeter genau platziert und scharf in die linke untere Ecke, ich richte beim Schuss meinen Fokus nur auf den Ball") weitgehend vom Gegner und auch vom Ergebnis unabhängig. Ich kann mein Ziel auch erreicht haben, wenn die Torfrau den Ball hält.
Ich erinnere mich gut an ein Spiel, bei dem ich als Mentaltrainerin tätig war, wo das Ergebnis zwar vorerst nicht erreicht wurde, aber das Prozessziel so deutlich fühlbar eingetreten war, dass es eine
nachhaltige Wirkung entfalten konnte.
Es war eine abschließende Mentaltrainingseinheit mit einem Frauenfußballteam, das in seiner Liga alle
Teams schlagen konnte – bis auf eines, das Tabellenerste. Kurz vor dem wichtigsten Spiel gegen unser „Angstteam“ arbeiteten wir nur an Prozesszielen und am Teamgeist: gegenseitiges Unterstützen, Umgang mit Stressfaktoren, positives Feedback geben, Stärken. Und wir fokussierten die Freude an diesem Spiel. Die Spielerinnen erwarteten mit Leidenschaft den Anpfiff.
Das Match war eine Schlacht. Beide Teams kämpften wie die Löwinnen, leidenschaftlich und bedingungslos. Wir verloren das Spiel ganz knapp 2:3. Nach dem Spiel waren die Spielerinnen zwar völlig fertig, sie hatten ihr Letztes gegeben, doch erstaunlicherweise haderte niemand mit der
Niederlage – das Spiel war das Ziel. Die Leidenschaft, der Spaß am Spiel, das Miteinander – so wollten die Mädels ihre Matches austragen! Dieses Spiel war für lange Zeit das letzte verlorene gegen dieses vormalige „Angstgegnerteam“.
Zurück zum Nationalteam: Die Frauenfußballfans sind nun hellwach und werden diesen Sport bei guten Leistungen weiter verfolgen, die Mädels haben sich mit Leidenschaft in die Herzen der neuen Fans gespielt. Die WM-Qualifikation kommt gerade zur richtigen Zeit. Die österreichischen Nationalteamspielerinnen werden durch ihre großartigen Leistungen hoffentlich öfters die „Heldinnensituation“ wie in Breda erleben. Sie werden diese für ihre mentale Stärke nutzen und wieder durch ihr leidenschaftliches Teamspiel überzeugen. Freuen wir uns darauf!